Kooperation
Diese Ausbildungseinheit für Reformpädagogik beginnt mit einem Rückblick auf den klassischen Frontalunterricht in der Grundschule, so wie er auch von Reformpädagogen gegeben wurde. Die Erfahrungen und Reaktionen der Studierenden sind der Ausgangspunkt, um die verschiedenen Aspekte der reformpädagogischen Ideen zu behandeln, so wie wir vom Kind ausgehen und anschließen an seine Erlebniswelt, die Bildung von „Kopf-Händen-Herz”, d.h. der ganzen Persönlichkeit. Dies gilt für den individuellen Unterricht, für Gruppenarbeit, Selbsttätigkeit und Fachunterricht. Und immer ist das Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Lehrer zu fördern.
Die „Erziehung vom Kinde aus“ kann als allgemein gültiges pädagogisches Konzept einer ganz aktuellen Kindererziehung angesehen wird. Diese historischen, heute vielleicht schon verklärt gesehenen Erziehungsentwürfe entsprechen für immer mehr Eltern und Lehrer/innen den Erziehungsidealen der Gegenwart: Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Eigenständigkeit, Verantwortung, Kooperation, Solidarität u. ä. m. sind heutige Erziehungsziele, die den reformpädagogischen Konzepten nachgerade immanent sind.
Die historische Reformpädagogik war von Begriffen wie Humanisierung, Demokratisierung der Schule, autonomem Handeln, Selbstständigkeit, Solidarität, Verantwortung, der Freiheit sich für etwas zu entscheiden, dem Gedanken der Kooperation geprägt. All diese Begriffe lassen sich auf moderne Organisationsentwicklung an Schulen übertragen. Es stellt sich für uns aber die Frage, wieso am Ende eines reformpädagogisch geprägten Jahrhunderts nur so wenig reformpädagogische Erfahrung in Schulen eingedrungen ist?
Das zweite Grundprinzip „Kooperation“ bezieht sich nicht nur auf die Sozialformen der Arbeiten der Schüler, sondern vielmehr auf die Beseitigung kooperationshemmender Strukturen im Schulleben. Nach Parkhursts Auffassung entfaltet sich die soziale Dimension schulischen Arbeitens von selbst, wenn man nur die Konkurrenzsituation des Frontalunterrichtes aufhebt und den Lernenden die Möglichkeit einräumt, nach Bedarf und Belieben zu kooperieren, auch über die Grenzen der „Klassen“-Gemeinschaft hinweg.
Das dritte Lernprinzip des Daltonplanes umschreibt die angestrebte Erziehung zu Selbstständigkeit durch die Forderung nach kontrollierter Arbeitsplanung und Arbeitsdurchführung, durch die Forderung nach Selbsttätigkeit des Schülers, der Schülerin. Gemeint ist damit, dass der Schüler, die Schülerin alleine oder mit anderen in Kooperation, im Dialog Lösungsstrategien zu den gestellten Problemen suchen soll. Die Wahlfreiheit und das Prinzip der Selbsttätigkeit bringen es mit sich, dass die Daltonschulen untereinander doch ziemlich verschieden sein können. Diese Verschiedenheit kann, so paradox es klingen mag, ein Charakteristikum der Daltonplan-Pädagogik sein. Denn nach den Worten Helen Parkhursts ist der Dalton-Plan keine Methode, kein System, sondern „a way of life“.
In der Jenaplan-Pädagogik, in der Daltonplan-Pädagogik und in der Freinet-Pädagogik ist die Kooperation
- Grundlage für das Verständnis von Lernen,
- Organisationsform für bedeutsame Lernprozesse und
- wesentlichstes Erziehungsziel.
Peter Petersen meint zur Bedeutung von Kooperation:
Dadurch reichen wir in der Schule...
„ ... heran an die wahre Erziehung, wie sie zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Natur als reines Geistwirken absichtslos geschieht.“
In der Diskussion der Erziehungsidee ist es wichtig zu wissen, dass die Jenplan-Schule den Kindern half, „Denken und Wollen anderer Weltanschauungsgruppen“ zu achten und zu verstehen „und dass man die Kunst der Kooperation mit Andersdenkenden“ ernsthaft lernte. Erziehung vollzieht sich nach der Erziehungsidee Peter Petersens in und durch die Gemeinschaft. Das Individuum bringt sich mit all seinen Fähigkeiten und Kenntnissen absichtslos in die echte Gemeinschaft ein und erfährt so seine Sinnerfüllung: Das Individuum wird zur Persönlichkeit durch Leben in der Gemeinschaft. So gesehen ist die Frage nach der optimalen Unterrichtsmethodik zweitrangig gegenüber der alles entscheidenden Frage, wie der Unterricht „den beiden Ideen der Ehrfurcht vor dem Leben und der Erziehung, d.h. der Freimachung des Menschentums in jedem Kinde“, ohne Einschränkung dienen kann.
Besonders durch die altersheterogenen Stammgruppen und den Wechsel der Gruppierungen bietet Peter Petersen in seinem Jenaplan eine adäquate didaktische Grundlage für die Kooperation der Kinder. So wird jedes Kind wahrscheinlich einmal in der Rolle des „Lehrlings“, des „Gehilfen“ und des „Meisters“ lernen und arbeiten.
Als erstes Prinzip des Dalton-Planes nennt sie die Freiheit, doch schon als zweites Prinzip betont sie die Interaktion: „Der zweite Grundsatz des Dalton-Plans ist die Kooperation oder, wie ich ihn zu nennen bevorzuge, die Interaktion im Gruppenleben.“ Sie umschreibt dieses Prinzip mit verschiedenen Wendungen, wie „social experience“, „sense of responsibility“, „socialisation“ und betont an anderer Stelle in ihrem Hauptwerk „Education on the Dalton Plan“: „Diese Sozialisation in der Schule, wie ich sie nenne, ist für den Erfolg des Experiments ebenso wichtig wie die Freisetzung der Kinder.“
Ein wesentliches Prinzip der Freinet-Pädagogik ist die Kooperation der Kinder untereinander und miteinander. Dieses Prinzip steht im Gegensatz zum konkurrenzierenden Verhalten der Kinder in der herkömmlichen Schule. Vor allem die Schuldruckerei, die Korrespondenz und die Einrichtung des Klassenrates, die gemeinsame Unterrichtsplanung und ebenso die Bewertung der eigenen Arbeiten sind Mittel und Techniken, an denen die Kinder die Kooperation erlernen und erleben. Weitere Formen der Kooperation sind bei Célestin Freinet:
- Gemeinschaftsarbeiten,
- Auswertung der Unterrichtsgänge,
- Auswahl der freien Texte,
- Korrespondenz,
- Gruppenarbeit,
- Druckerei,
- Experimentieren ...
- Verantwortung
Ein Aspekt der Organisationskultur, der oft für die Entwicklungsfähigkeit einer Organisation verantwortlich ist, ist die Fähigkeit zur Teambildung, zur Kooperation. Schulen, die Qualität und Innovation anstreben, werden der Teamentwicklung, dem Erwerb von Kooperationsfähigkeit hohe Priorität geben. Ein „Team“ ist mehr als eine „Gruppe“. Teams haben folgende Anforderungen zu erfüllen:
Teambildung
- „Kommunikation, Ziele, Daseinszweck und Sinngrund;
- Konsens über Regeln und Normen;
- Kohärenz: Zusammenhalt in unterschiedlichen Situationen und Belastungsproben;
- Kontingenz: Geschlossenheit und Verbundenheit unterschiedlicher Wahrnehmungen, Bewertungen und daraus abgeleiteter Handlungsmuster;
- Konsistenz: Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und Denkwelt zur Verständigung und Kommunikation im intermediären Raum;
- Kontinuität: Fortbestand auch bei personellen Wechseln und veränderten Konstellationen;
- Konfiguration: Binnenstruktur und interne Differenzierung in Rollen und Zuständigkeiten;
- Identität: Bindung und Verpflichtung an überindividuellen Motiven und Interessen;
- Ko-Evolution: Gemeinsames Wachsen an gemeinsamen Aufgaben mit individuellen Unterschieden;
- Meta-Kommunikation: Fähigkeit, sich mit systemischem Blick einer Reflexion der Teamprozesse zu stellen.“
Kooperation zwischen Eltern und Schule folgendermaßen:
Familienschulen
„Alle Führung in Zucht und Unterricht gewinnt in einer Jenaplan-Schule ihre letzte Kraft unverkennbar aus der Tatsache, dass offen vor den Augen aller Kinder die Lehrer mit den Eltern zusammenwirken, Schule und Elternhaus ineinander greifen und so das beste Bündnis geschlossen wird, in dessen Schutz überhaupt eine Schule gedeihen kann, die Schulgemeinde. Schulen nach dem Jenaplan sind in erster Linie Familienschulen, d.h. obwohl öffentliche Staatsschulen, so verstehen wir sie in ihrem Sinn und tiefsten Gehalt als Einrichtungen, um die Familienerziehung zu ergänzen, fortzuführen und enger mit dem gesamten Kulturleben zu verbinden, damit die junge Generation organisch in ihr Volkstum hineinwachse.“
„Je mehr Teile einer vollständigen Handlung von demjenigen, der diese Handlung erlernen soll, selbst erarbeitet werden, desto wirkungsvoller ist das Lernen. Umfassendes Verständnis wird nur erlangen, wer letztlich die Handlung selbst (zuerst unter Anleitung und dann alleine) ausgeführt hat.“
Projekt
Wie erlernt man am besten den Umgang mit den Neuen Medien, auch in Hinblick auf Kommunikation und Kooperation im Netz? Zunächst bedarf es einer Einschätzung der eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten wie oben beschrieben. Auf dieser Basis sollte dann so konkret wie möglich ein eLearning-Projekt im Sinne von blending-learning durchgeführt werden. Ziel sollte auf jeden Fall das Erreichen der 4. Stufe nach Baumgartner sein.
Mehrwert
Auf dieser Stufe beginnt der eigentliche Mehrwert des Lernens im Netz. Man sollte sich vor Augen halten, dass sehr viele Kinder und Jugendliche bereits die 2.-3. Stufe von den Fertigkeiten her schaffen, also das Grundhandling mitbringen. Den übrigen muss dies die Schule vermitteln. Daran anschließend kann mit Aspekten des eLearnings begonnen werden, vor allem die Kommunikation und daran anschließend auch die Kooperation.
Kooperation
Ein Grundprinzip des Daltonplans ist die „Kooperation“:
„In der Zuwendung zur Gruppe wird das Kind lernen, den anderen zu respektieren und zu verstehen, seine eigene Meinung zu formulieren (wie schwierig ist dies, wenn es dann auch noch schriftlich erfolgen soll wie z.B. in einem Diskussionsforum – d. A.) und in der Diskussion zu vertreten und eine entsprechende Kultur des Gesprächs und des demokratischen Zusammenlebens zu entwickeln.“
Dies sind zwei wesentliche Grundlagen, die es für die Arbeit im Sinne von eLearning braucht. Kooperation muss geübt werden, es geschieht nicht von alleine.
Pensen
Ähnliche Ansätze findet man auch bei Célestin Freinet, der ebenfalls von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung spricht, wobei für ihn zusätzlich noch als wesentliches Merkmal der „freie Ausdruck“ kommt. Einzel- und Gruppenarbeiten sind wichtige Elemente – wie schnell lässt sich da eine Verbindung zu eLearning herstellen. Noch viel wichtiger erscheint mir aber, dass Freinet nicht nur von Kooperation sprach, sondern sie auch verwirklichte und in einem Netzwerk tausende Lehrer/innen zusammenbrachte. Wie würde er heute dieses Netzwerk mit Hilfe der Möglichkeiten, die wir haben, verwirklichen? Versuchen Sie doch mal dazu Szenarien seiner Pädagogik entsprechend zu entwickeln.
Lernteams
Für das eLearning von Bedeutung ist auch das Verfahren Célestin Freinets, den Unterricht gemeinsam mit den Schüler/innen zu entwickeln und das Programm gemeinsam zu erstellen. Wenn Lernteams im Netz entstehen, ist dies eine Notwendigkeit, wenn auch erst auf der 4. Stufe des Könnens, wobei es davon abhängt, wie das Lernteam organisiert ist. So können einige kompetente Lerner für weniger kompetente Lerner unterstützende Funktion haben und diese auch in ihrer Entwicklung fördern. Wichtig ist dann jedoch, dass beide Seiten im Lernprozess weiterkommen.
eLearning bietet die Möglichkeit, dass Lernteams nicht unbedingt aus Menschen der gleichen kulturellen Gruppe sein müssen. „... Denken und Wollen anderer Weltanschauungsgruppen zu achten und zu verstehen und dass man die Kunst der Kooperation mit Andersdenkenden ernsthaft lernte“. Lernen im Netz beinhaltet einige Aspekte, die tolerantes Verhalten voraussetzen, will der Einzelne, bzw. die Lerngruppe wirklich zu gemeinsamen Lernprozessen kommen. Dies erfordert vor allem in der Kommunikation sehr viel Entgegenkommen, da in der schriftlichen Kommunikation es häufig zu Fehlinterpretationen kommen kann.
Zu diesem Zwecke wurden auch die so genannten Smiles eingeführt, die diese Kommunikation „entschärfen“ können. Peter Petersen erkannte es richtig, auch wenn er es sicherlich nicht in Zusammenhang mit eLearning gesehen hat: Toleranz und Kooperation müssen erlernt werden. Auch betonte er die Bedeutung der Gruppe. Inzwischen geht man im eLearning immer mehr davon aus, dass der eigentliche Wert gerade in den Lernteams liegt: „... fördern teamzentrierte Methoden die Eigenkonstruktion von Wissen und Können und unterstützen Lernprozesse, die komplex sind und vielfältige Antworten zulassen.“